Podiumsdiskussion „Was glaubst du denn?!“

Sie bildete den Höhepunkt der diesjährigen Projektwoche am evangelischen Berufskolleg in der Radewig: Die Podiumsdiskussion in der Jakobi-Kirche. Kommunale Vertreterinnen und Vertreter der Religionen nahmen auf dem Podium Stellung zu den Fragen aus der Schulgemeinschaft. Moderiert wurde die Diskussion von zwei Projektteilnehmer*innen, der Fachabiturientin und Muslimin Liliane Noureddine und dem christlich sozialisierten Thomas Heunen aus der Kinderpflege-Ausbildung.

Auf dem professionell mit Tischen und Mikrofonen ausgestatteten Podium im Altarraum der Jakobi-Kirche nahmen vielfältige Gäste Platz. Neben dem

  • Superintendenten des evangelischen Kirchenkreises Herford, Dr. Olaf Reinmuth,
  • die jesidische Schülersprecherin des Elisabeth-von-der-Pfalz-Berufskollegs Meriam Osso,
  • der bekannte Fotograf, unter anderem für die Hilfsorganisation Cap Anamur, Jürgen Escher,
  • Pfarrerin und Feministin Nina Ciesilski aus Gelsenkirchen mit Vikariat in Herford,
  • Dr. Matitjahu Kellig als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold sowie
  • Erziehungswissenschaftlerin und Trägerin des Integrationspreises der Stadt Bielefeld Namé Ayaz-Gür.

Auf die Frage nach dem Stellenwert des Glaubens in ihrem Leben antworteten zum Beispiel Ayaz-Gür: „Wenn ich keinen starken Glauben hätte, müsste ich meine Arbeit gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit in Bielefeld längst aufgegeben haben, denn man wird von allen Seiten angegriffen. Ich danke Allah, dass ich diese Kraft habe.“ Für Escher, der sich weltweit für christlich motivierte Organisationen engagiert, ist sein eigener Glaube eine Brücke zu den Einheimischen: „So merken die Menschen, dass ich sie ernst nehme. Das prägt dann das Miteinander.“

In den aktuell schwierigen Zeiten schöpfen Menschen Hoffnung auch aus dem Glauben. Während Reinmuth in Bezug auf den Krieg in der Ukraine einen Hoffnungsspeicher der guten Erfahrungen sieht und auf einen langen Atem und Diplomatie setzt, fragt Kellig „Haben wir jemals in einfachen Zeiten gelebt?“ und verweist auf die oftmals aus der Wahrnehmung verdrängten Konflikte wie in Syrien und dem Jemen. Er zitiert den Staatsgründer Israels Ben Gurion. „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Osso hat Familie in Kriegsgebieten und bewundert, „wie stark sie sind.“

„Immer weniger junge Menschen engagieren sich in christlichen Gemeinden,“ ging eine provokative Frage der Schüler*innen an Ciesilski. Diese konterte: „Nicht nur in christlichen Gemeinden und nicht nur junge Leute engagieren sich weniger.“ Die Chance sieht sie dabei immer in der Beziehung. „Wenn ich die Pfarrerin oder den Jugendreferenten kenne, dann bringe ich mich eher mit meinen Stärken und Talenten ein.“

Mit „Eindeutig nein!“ beantwortete Escher die Frage, ob die Welt ohne Religionen ein besserer Ort sei. Er begründete: „Der Glaube ist für viele Menschen vor allem in Afrika und Südamerika der Hauptanker in dieser Welt, eine Lebensgrundlage! An vielen Orten der Welt leben Menschen unterschiedlicher Religionen friedlich beieinander. Wer auch immer Kriege anzettelt, würde ohne die Religion andere Gründe finden. Es sind Menschen, die Konflikte schüren, und es sind Menschen, die dieses Spiel mitmachen.“ Kellig ergänzte „ Es geht um Macht.“

Es entwickelte sich eine Diskussion rund um Toleranz, Medien und Werte. Ayaz-Gür kritisierte am Beispiel der Flüchtlinge aus Syrien, dass soziale und andere Medien Ängste und Vorurteile in der Gesellschaft schürten. „Der Grund für Intoleranz ist immer Unwissenheit! Wir brauchen Gelegenheiten, damit wir uns kennenlernen. Das wir heute hier sind, gibt mir Hoffnung!“ Ciesilski meinte „Auch wenn wir zwar nie einen Zeitungsverlag besitzen werden, können wir unseren Medienkonsum steuern. Wenn ich weiß, diese Website teilt immer unreflektierten ‚Scheiß‘, dann klicke ich da nicht mehr drauf und teile es auch nicht, um es anderen zu zeigen.“ Escher appellierte daran, die vielfältigen Medien in Deutschland zu nutzen, um sich in einer komplexen Welt eine eigene Meinung zu bilden. Reinmuth empfahl, Nähe und Gespräche auch zu Leuten zu suchen, die nicht zur eigenen Gruppe gehören.

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